Liebe*r Gedankenteilnehmer*in,
ich stehe am Bahnsteig und mein Zug ist 10 Minuten verspätet. Nein, 20 Minuten. Dann 30. Zuletzt 55! Mist, jetzt kriege ich meinen Anschluss nicht mehr! Die wertvolle Zeit bei meinen Freunden, die ich lange nicht mehr gesehen habe, schmilzt dahin!
Doch ich habe einen guten Tag erwischt. Während um mich herum die Unruhe zunimmt, der Unmut sich Luft verschafft und genervtes Getuschel den Bahnsteig erfüllt, habe ich heute das Gefühl, das mich das Ganze nicht aus der Bahn wirft! Aus irgendeinem Grund erkenne ich gerade heute, dass kein Ärger der Welt diese Verspätung verändern wird, und ich die Situation nur so annehmen kann, wie sie ist.
Klar könnte ich mich jetzt aufregen und ärgern. Mir wird nur gerade der Kontrast so glasklar. Der Kontrast zwischen irgendeinem anderen Tag, an dem ich vielleicht genauso wie viele andere mich geärgert hätte, und dem heutigen Tag, an dem ich zusätzliche 55 Minuten meines Lebens in Gelassenheit verbringen darf.
Aus irgendeinem Grund bin ich gerade präsent, und das hilft mir, diesen völlig einfachen Zusammenhang zu erkennen: Dass Ärger nichts verändert, außer dass er mir die Wahrnehmung dieser 55 Minuten, und vielleicht sogar des restlichen Tages, trübt. Heute ist mir sonnenklar, dass nur Akzeptanz die allerbeste Version dieses Moments entstehen lassen kann. Und jedes nächsten Moments in meinem Leben.
Rational betrachtet ist das nicht schwer zu verstehen, gelingen dürfte es mir gerne viel(!) öfter. Wenn ich zukünftig an diese 55 gewonnenen Minuten denke, erinnert es mich aber vielleicht auch daran, dass die Entscheidung bei mir liegt. Dass ich mir bewusst mache, diese Wahl zu haben. Ich kann mich kneifen oder mir auf den Schenkel klopfen und ´Stop!´ sagen. Manches Mal wird mein Ego sich durchsetzen, dass einfach kopflos dem Ärger den ganzen Raum geben will. Doch manches Mal werde ich mir weitere Minuten meines Lebens schenken, die ich in Gelassenheit verbringen darf.
Nicht nächstes Jahr oder nächsten Monat! Diese Woche! Ab jetzt!
Alles Liebe für Deine Woche wünscht!
Michael
Danke für das Bild an Sabine Kroschel